Bürger*innen machen Wissenschaft
Es war einmal der Elfenbeinturm. Heute öffnen altehrwürdige Universitäten Bürger*innen ihre Tore und laden sie zum gemeinsamen Arbeiten ein. Citizen Science heißt das Zauberwort, zu Deutsch Bürgerwissenschaften. Verlangt wird dabei kein Fachwissen, sondern eine große Portion Interesse und Engagement.
Ursprünglich aus dem angelsächsischen Raum stammend, haben auch die Hochschulen in Österreich das große Potenzial in der Bevölkerung erkannt. „Die Laien verfügen über ein großes Spezialwissen, man denke nur an regionale Dialektausdrücke. Diese Art Volkswissen finden die Forscher*innen in keiner Fachliteratur“, erklärt Marlene Ernst von der Kontaktstelle für Citizen Science an der Universität Salzburg. Seit 2015 beschäftigt sich eine eigene Arbeitsgruppe an der Uni Salzburg mit Citizen Science, der auch Wissensstadt-Projektleiterin Christine Tyma angehört.
Citizen Science hat viele Gesichter
Citizen Scientists arbeiten unbezahlt, aber nicht umsonst! Sie arbeiten mit echten Expert*innen zusammen und lernen Menschen mit gleichen Interessen kennen. Häufig werden für sie ergänzend spezielle Workshops angeboten. Von diesem Austausch profitieren beide Seiten. Die Laien arbeiten je nach Projekt ganz flexibel an der Uni, zuhause oder auch von unterwegs. Sie erledigen Naturbeobachtungen, Messungen, Datenauswertungen, Einträge in Datenbanken und mehr.
„Citizen Scientists nehmen zum Beispiel Hausstaubproben bei sich zuhause, spielen ein Online-Game, das wiederum der Alzheimerforschung hilft, oder zeichnen per App Tierbeobachtungen in der eigenen Umgebung auf“, weiß Marlene Ernst.
Auf einen Aufruf zum Mitmachen melden sich Interessierte von der Studentin bis zum Pensionisten. Wie viele sich engagieren, ist abhängig vom Thema. Wichtig ist, dass wirklich jede/r mitmachen kann.
Vielfältige Projektauswahl
An der Universität Salzburg zählen immer mehr Projekte auf die Mithilfe von Bürger*innen. Beim Projekt „Salzburg zu Tisch“ beschäftigt sich das Zentrum für Gastrosophie mit Kochbüchern aus der Barockzeit, das Center for Human-Computer Interaction lädt mit „Together we drive better“ zur wissenschaftlichen „Fahrgemeinschaft“ und Einblick in die Nanotechnologie gibt’s bei „Nano-O-Style“ am Fachbereich Molekulare Biologie. Auch unsere Kollegen vom Gartenamt sind dabei. Sie sind Kooperationspartner für das Projekt „Stadtbäume als Klimabotschafter“ am Fachbereich Geografie und Geologie.
„Wir beraten die Wissenschaftler*innen und berichten aus unserer Praxis. Die Salzburger*innen werden eingeladen, ihre Beobachtungen an den Bäumen zu dokumentieren und sich so aktiv an der Forschung zu beteiligen. Gleichzeitig schärft das Mitmachen auch das Bewusstsein für die grünen Riesen in der Stadt“, so Christian Stadler, Leiter der Stadtgärten.
Citizen Science bereichert die Wissensstadt und schafft durch die Verknüpfung von Fachwissen und alltäglichem Spezialwissen der Salzburger*innen eine perfekte Synergie.
Von 1. bis 3. Februar 2018 steht Salzburg ganz im Zeichen von Bürgerwissenschaften. 300 Wissenschaftler*innen, Vereine und Citizen Scientists treffen sich bei der 4. Österreichischen Citizen Science Konferenz an der Universität Salzburg. Mehr Infos und spannende Mitmach-Stationen für alle Salzburger*innen gibt’s am Aktionstag, am 3. Februar. Dieser soll vor allem auch dazu dienen, den Begriff unter der Bevölkerung noch bekannter zu machen. Wir freuen uns darauf, Sie dort zu treffen!
3. Februar: Aktionstag Generationen forschen
Leben in der Antarktis, „Stille Nacht“ und barocke Küche – so bunt und vielseitig präsentieren sich die Bürgerwissenschaften am Aktionstag. Es gibt Mitmach-Stationen und spannende Aktionen für die ganze Familie. Von 10 bis 17 Uhr im Unipark und im Miele Experience Center. Außerdem laden die akademischen Wirtshäuser (nach Leopold Kohr) zum gemütlichen Wissensaustausch. Was das alles miteinander verbindet? Die Buslinie 1, die am 3. Februar zum Forscherexpress wird. Das ganze Programm gibt’s hier.
Citizen Science: Ein Weg der Wissenschaft in die Welt
Im Wissensmonat Mai führten der Leiter der Stadtgärten, Christian Stadler und Prof. Angela Hof von der Universität Salzburg durch den Mirabellgarten zu den grünen Riesen. Zusammen mit vielen Interessierten haben sie ein Auge auf die Stadtbäume geworfen. Sie sind nicht nur Klimabotschafter, sondern geben auch Auskunft über ihr Mikroklima und tragen zum gesundheitlichen Nutzen der Bewohner*innen bei. Bei der Erforschung ist auch die Mithilfe der Salzburger*innen willkommen.
Hintergrund
Bereits im 19. Jahrhundert wurden erste Citizen Science Projekte durchgeführt. Im Jahr 1900 lud der amerikanische Ornithologe Frank Chapman mit dem „Christmas Bird Count“ die Bevölkerung zur Vogelzählung. Damit beschäftigte der Kurator des American Museum of Natural History die Menschen während der Weihnachtsfeiertage. Noch heute treffen sich tausende Vogelkundler*innen und füttern mit ihren Beobachtungen die amerikanische Forschung. Auch in Österreich lädt BirdLife Austria jährlich zum Jahreswechsel zum Zählen der Wintervögel. Unterstützt werden sie von mehr als 8.000 Hobby-Ornitholog*innen.