Selten beachtet, aber nicht vergessen: Frauen-Geschichte(n) aus Itzling und E-Vorstadt

Bestseller-Autorin, Ärztin oder Kunstliebhaberin – viele Frauen haben die Stadtteile Itzling und E-Vorstadt geprägt. Im Alltag werden sie zu wenig beachtet, obwohl wir ihren Spuren häufig begegnen. Das sollte sich ändern.

Gemeinsam mit der Historikerin Sabine Veits-Falk (Stadtarchiv) und den Kolleginnen vom Bewohnerservice Itzling & E-Vorstadt laden wir am 22. Juni unter dem Motto „Geschichte von nebenan“ ein, mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt zu spazieren und mehr über die Lebensgeschichten der Frauen zu lernen.

Da der geführte Spaziergang bereits ausgebucht ist, nehmen wir unsere Leser*innen auf diesem Wege mit auf eine kleine Stadttour und Zeitreise und greifen ein paar wenige Schicksale, Leistungen und Geschichten auf, die sich direkt in unserer Nachbarschaft verbergen. Damit möchten wir auch dazu einladen, öfters nachzudenken und zu hinterfragen: Wer ist der/die Namensgeber*in dieser Straße? Wer hat in diesem Haus gelebt? Wie mag ihr Leben wohl verlaufen sein?

Frauen als Namensgeberinnen für Straßen

Immer noch sind Straßen viel zu selten nach Frauen benannt. Nur 3,5 % aller öffentlichen Flächen tragen den Namen einer Frau. Wir stellen drei von ihnen vor.

Rosa Kerschbaumer-Putjata (18511923) – Ärztin ohne Grenzen

Heute wäre Rosa Kerschbaumer MINT-Botschafterin und Vorbild für viele junge Frauen. Sie war Ende des 19. Jahrhunderts Österreichs erste Augenärztin und damit überhaupt die erste Frau, die als Ärztin praktizierte. Bei der Science City Itzling erinnert seit 2007 eine Straße an sie.

Geschichte von nebenan - Rosa-Kerschbaumer-Straße

Das würde ihr gefallen. Gleich bei der Science City Itzling trägt eine Straße den Namen Österreichs erster Ärztin: Rosa Kerschbaumer.

Schon zehn Jahre bevor Frauen überhaupt an den medizinischen Fakultäten zugelassen waren, war die gebürtige Russin als Ärztin tätig. Möglich war das, weil sie in den 1870er Jahren in der Schweiz studierte. Dort verliebte sie sich auch in Friedrich Kerschbaumer, einen Salzburger. Zusammen eröffneten die Kerschbaumers zunächst eine Praxis im Faberhaus 2, ab 1881 in der Schwarzstraße eine private Augenklinik. Nach ihrer Trennung von Friedrich, führte Rosa ab 1890 mit einer Sondergenehmigung von Kaiser Franz Joseph die Klinik alleine weiter. 1896 kehrte Rosa nach Russland zurück, wo sie entlang der Transsibirischen Eisenbahn viele Menschen behandelte. Später zog es sie nach Wien. Mit 60 Jahre wanderte sie nach Amerika aus, wo sie 1923 verstarb.

Frauenförderung

Rosa Kerschbaumer engagierte sich sehr für die Förderung von Frauen. Als Ehrenmitglied im Verein für erweiterte Frauenbildung in Wien und als Vorbild in der Männerdomäne Medizin forderte sie den Zugang von Frauen zum Medizinstudium. In ihrer Augenklinik unterstützte sie stets junge Ärztinnen. Auch ihr soziales Engagement war bedeutend. Sie behandelte Arme kostenlos und half bedürftigen Kindern. Dafür wurde sie auch in der Bevölkerung sehr geschätzt. In der Wallfahrtsbasilika Maria Plain sieht man Dr. Kerschbaumers Wirken in einem Votivbild: 1892 explodierte einer Frau eine Flasche Erdbeersaft in der Hand, die ihre Augen schwer verletzte. Laut der Inschrift ist es Rosa Kerschbaumer zu verdanken, dass die Frau nicht erblindete.

Elisabeth, Kaiserin von Österreich (1837–1898) – Hommage an Sisi

Geschichte von nebenan - Elisabethstraße

Die Elisabeth-Straße im Stadtteil Itzling ist nach Kaiserin Sisi benannt.

Hinter der Bezeichnung E-Vorstadt verbirgt sich die wohl berühmteste Österreicherin: Kaiserin Elisabeth von Österreich. Namensgeberin war Sisi nicht nur für eine Straße, sondern auch gleich für einen ganzen Stadtteil. Auch die Eisenbahngesellschaft, die im 19. Jahrhundert die Westbahnstrecke bediente, trug ihren prominenten Namen: k.k. privilegierte Kaiserin Elisabeth-Bahn. Zur feierlichen Eröffnung der Hauptstrecke Wien–Salzburg 1860 war das Kaiserpaar zu Gast in Salzburg.

Seit 1901 heißt der ehemalige Stadtteil Froschheim Elisabeth-Vorstadt. Ebenfalls um die Kaiserin zu ehren, erfolgte 1904 die Benennung der 1.000 m langen Elisabethstraße. Sie führt von der Rainerstraße stadtauswärts bis zur Itzlinger Hauptstraße.

Geschichte von nebenan

Im kleinen Park beim Hauptbahnhof verbrachte Kaiserin Sisi einen Zwischenstopp auf ihrer Reise in die Schweiz.

Sisis letzte Fahrt

Bei einem Zwischenstopp ihrer Reise von Bad Ischl in die Schweiz machte es sich die Kaiserin im Juli 1898 im kleinen Park zwischen dem Grand Hôtel de l’Europe und dem Hauptbahnhof gemütlich. Was noch niemand ahnen konnte: Dies war ihr letzter Aufenthalt in Österreich, denn Sisi wurde am 10. September 1898 am Genfer See Opfer eines Attentats. Noch heute erinnert eine Marmorstatue im Park an diesen kurzen Besuch.

Franziska „Fanny“ von Lehnert 18521930 – Fannys Feinstes

Wohin mit all den Dingen, die das Leben schöner machen? Diese Frage stellte sich auch Franziska, genannt Fanny, von Lehnert 1912. Sie verfasste einen Brief und bot dem Salzburger Museum Carolino Augusteum, dem heutigen Salzburg Museum, ihre Sammlung an. Insgesamt 368 Objekte, darunter Biedermeiergläser, Handtaschen, Geldbörsen, Fächer, Schmuck, Uhren, qualitätsvolle Textilien, Salzgefäße, Spitzen und Ölgemälde, gingen schon zu ihren Lebzeiten in den Besitz des Museums über. Darunter auch das berühmte Ölgemälde „Der Sonntagsspaziergang“ von Carl Spitzweg.

Eine Straße erinnert noch heute an die edle Spenderin. Als begeisterte Salzkammergut-Urlauberin hatte Fanny von Lehnert auch Salzburg ins Herz geschlossen. Die vielen Reisenden, die bereits damals die Mozartstadt besuchten, sollten sich an ihren Alltagsschätzen erfreuen. Dabei handelt es sich nicht um museale Objekte im eigentlichen Sinn, vielmehr sind es Schmuckstücke aus ihren Wohnungen, die uns heute Einblick in die wohlhabende Gesellschaft des 18. und 19. Jahrhunderts geben.

Geschichte von nebenan - Fanny-von-Lehnert-Straße

Eine Straße erinnert noch heute an die Kunstliebhaberin Fanny von Lehnert.

Straßenbenennung als Dank

Für ihr außergewöhnliches Entgegenkommen erhielt sie einen besonderen Dank. In der Gemeinderatssitzung am 13. Jänner 1913 verkündete Bürgermeister Max Ott: „Um diese wohl einzig dastehende munifizente Schenkung auf ewige Zeiten im Gedächtnisse festzuhalten, würde ich vorschlagen, eine Strasse mit dem Namen der edlen Frau zu benennen.“ Die knapp 300 m lange Fanny-von-Lehnert-Straße führt vom Südtiroler Platz zur Bahnhofstraße.

Über das Leben von Fanny ist wenig bekannt. Geboren in Ölmütz, heiratete sie 1879 den Konteradmiral Josef Ritter von Lehnert und gehörte zur besten Wiener Gesellschaft.

Alja Rachmanowa (18981991) – Aljas Alltagsgeschichten

Geschichte von nebenan - Erzherzog-Eugen-Straße

Am Ende der Straße lebte die Schriftstellerin Alja Rachmanowa.

In den 1930er Jahren bewohnten die Schriftstellerin Alja Rachmanowa und ihr Mann Arnulf von Hoyer für kurze Zeit ein Haus am Ende der Erzherzog-Eugen-Straße. Kennengelernt haben sich die beiden in Russland. Alja, die eigentlich Galina Djuragina hieß, erlebte mit ihrer Familie die Oktoberrevolution und den Bürgerkrieg und floh nach Sibirien, wo sie Philosophie, Psychologie und Literatur studierte. Dort traf sie den Salzburger Arnulf, einen ehemaligen Kriegsgefangenen, der ihr zuliebe in Russland blieb. 1921 heirateten die beiden, ein Jahr später kam ihr Sohn zur Welt. 1925 wurde die junge Familie aus der Sowjetunion ausgewiesen und landete ohne Papiere und Geld in Wien. Während ihr Mann sein Studium nachholte (das russische Studium wurde in Österreich nicht anerkannt), erwarb Alja einen Milchladen in Währing und verdiente den Unterhalt für die Familie.

Erfolge des Schriftsteller-Ehepaars

Als Arnulf eine Anstellung als Lehrer in seiner Heimatstadt fand, übersiedelte die Familie nach Salzburg. Zwischen 1931 und 1933 veröffentlichte die Exil-Russin unter dem Pseudonym Alja Rachmanowa mehrere Bücher: Studenten, Liebe, Tscheka und Tod, Ehen im roten Sturm und – der erfolgreichste – Milchfrau in Ottakring wurden teilweise in rund 20 Sprachen übersetzt.

Als Grundlage ihrer autobiografischen Romane dienten ihre Tagebücher, aber auch Erzählungen ihrer Kundinnen im Milchladen. Mit ihrer objektiven Darstellung der Wirklichkeit entsprachen die Bücher der in der Zwischenkriegszeit aufkommenden Stilrichtung Neue Sachlichkeit. Alja Rachmanowa und ihr Mann sahen sich als schreibendes Paar, denn er war für die deutsche Übersetzung ihrer Werke verantwortlich, wurde allerdings in den Büchern nie erwähnt. Später konzentrierte sich das Paar auf Romanbiografien von russischen Künstler*innen.

Aus Angst vor der sowjetischen Besatzungsmacht floh das Ehepaar Rachmanowa-Hoyer in die Schweiz. Dort entstanden zwölf weitere Bücher, die allerdings nicht mehr an den Erfolg der Tagebuchromane anknüpfen konnten.

Stolpersteine – Gegen das Vergessen

An das Schicksal von Frauen in Itzling und E-Vorstadt erinnern auch Stolpersteine. Die eingesetzten Betonsteine mit beschrifteter Messingplatte halten das Andenken an die Opfer des Nationalsozialismus lebendig.

Geschichte von nebenan - Stolpersteine

Stolpersteine im Stadtteil Itzling erinnern an die Schicksale der Frauen, die hier lebten und arbeiteten.

Kreuzstraße 9

Als Leiterin einer illegalen kommunistischen Frauengruppe setzte sich Anna Reindl für in Not geratene Familien aus ihrer Gruppe ein und äußerte sich in Flugschriften gegen Krieg und Faschismus. Am 26. Jänner 1942 wurde sie verhaftet und zwei Monate später als erste von sechs widerständigen Frauen aus Salzburg nach Auschwitz deportiert. Im Alter von 39 Jahren wurden sie am 24. August ermordet.

Elisabethstraße 53

Franziska Mattseeroider arbeitete als Kellnerin und Hausmädchen und wurde 1937 in die Landesheilanstalt aufgenommen. Ein Jahr später wurde sie von der Versorgungsanstalt Schloss Schernberg in Schwarzach nach Hartheim deportiert und dort im Alter von 48 Jahren ermordet.

Salzburger Schützenstraße 17

Zusammen mit ihrem Mann und Sohn wohnte Theresia Schamberger in der heutigen Salzburger Schützenstraße. Im November 1939 wurde sie unter dem NS-Regime in die Landesheilanstalt aufgenommen und am 21. Mai 1941 nach Hartheim deportiert. Sie verstarb im Alter von 68 Jahren.

Mehr über Frauen in Salzburg

Kurze Infos zu den Namensgeber*innen der Straßen in der Stadt Salzburg gibt’s im Online-Stadtplan. Einfach Straßennamen eingeben und links unter Straße auf den Straßennamen mit dem Zusatz Beschreibung klicken.

Das Projekt Frauenspuren der Stadt Salzburg macht Frauen und ihr vielfältiges Schaffen im öffentlichen Raum sichtbar. Seit Kurzem weisen neue Gedenktafeln auf die Wirkungsstätten und Wohnorte von bedeutenden Frauen hin. Frauenspuren wird realisiert von der Initiatorin Alexandra Schmidt, Frauenbeauftragte der Stadt Salzburg, Historikerin Sabine Veits-Falk, Stadtarchiv Salzburg, und der Literaturwissenschaftlerin Christa Gürtler.

Das Buch Frauen in Salzburg zeichnet die Lebensgeschichten von Frauen in der Öffentlichkeit, Bildenden Kunst, Architektur, Literatur und Musikgeschichte nach. Wer mehr über das aufregende Leben von Rosa Kerschbaumer lesen möchte, dem empfehlen wir dieses Buch. Spannende Beiträge über starke Frauen aus der Vergangenheit und der Gegenwart (darunter auch Rosa Kerschbaumer und Alja Rachmanowa) finden sich in der neuen Broschüre des Stadtarchivs Das russische Salzburg in ausgewählten Porträts.