Zahlen erzählen Alltagsgeschichten

Als Maria Theresia Spängler 1755 die ersten ungelenken Einträge in das Hauß=Uncosten Conto Biechl ihres Mannes machte, setzte sie eine bereits 22-jährige Tradition fort. Seit 1733 trug die Familie Spängler Denare, Kreuzer und Gulden fein säuberlich in ein Ausgabenbuch ein. Was damals vielleicht etwas pingelig war, eröffnet heute tiefe Einblicke in den barocken Alltag. Dank eines neuen Projekts von Uni Salzburg und Stadtarchiv, sind die Spängler Haushaltsbücher ein gelungenes Beispiel für Wissenskommunikation.

Zu einer Zeit, in der Salzburg rund 16.000 Einwohner*innen zählte, pflegte die im Tuch- und Seidenhandel tätige Familie Spängler bereits internationale Kontakte. Wohnsitz der wohlhabenden Großfamilie war direkt in der Altstadt, am Alten Markt. Als dritte Ehefrau von Franz Anton übernahm Maria Theresia die Führung der Haushaltsbücher, wie schon ihre beiden Vorgängerinnen. Neben dem Familienoberhaupt Franz Anton Spängler (1705-1784) gehörten die jeweilige Ehefrau, Kinder, Stiefkinder, Hauspersonal und Bedienstete dem Haushalt an.

Spängler, Archive

Die neue Web-Application gibt detaillierten Einblick in einen bürgerlichen Haushalt im 18. Jahrhundert.

Über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahrzehnten (1733-1785) führte die Kaufmannsfamilie Buch über all ihre Ausgaben. Daraus entstanden sind mehr als 21.000 Einträge, die nun als Volltextedition mit einer verbundenen Datenbank online unter www.spaengler-haushaltsbuecher.at zur Verfügung stehen.

Auszug aus den Notizen:

ein parr Schuech der Fraun
für mein Bethbuch einzubindtn
an nothwendiger Außgab der Frau bey dem Hervorgang
verehre der Frauen zu ihrem Nahmenstag
vor der Frau ihrer Wösch Trinkgeldt
für 2 Emer Pier fl 4

Mehr als Zahlen – lebendige Kulturgeschichte

Die genaue und 52 Jahre andauernde Kostenaufstellung offenbart viele Details aus dem barocken Haushalt, so wie Vorlieben, Verfügbarkeit, Bezug, Preise und Preisschwankungen zu jener Zeit.

Angaben über Ernährung, Genussmittel, Anschaffung, Pflege und Reparatur von Hausrat, Kleidung, Grundbedürfnisse wie Brennholz und Wasser zeigen die vergangene Lebenswelt. Geschenke, Trinkgelder und Almosen weisen auf Sozialbeziehungen und Netzwerke hin. Ebenso lassen sich Kreditbeziehungen, Zahlungsweisen, Löhne und Preise herauslesen. Notiert wurden außerdem Honorare für Ärzte, Barbiere, Bader, Hebammen, Hauslehrer und Hauspersonal, aber auch die Kosten für Vogelfanger, Brief Außtrager und Appotegger Geßellen.

Spängler, Archive

Die alten Aufzeichnungen der Ausgabenbücher finden sich fein säuberlich transkribiert auf der neuen Plattform.

Digital Humanities – neue Möglichkeiten für historische Inhalte

Die Originale werden im Salzburger Stadtarchiv aufbewahrt. Gemeinsam mit der Abteilung Wirtschafts-, Sozial- und Umweltgeschichte des Fachbereichs Geschichte der Universität Salzburg wurde den Haushaltsbüchern neues Leben eingehaucht. Sie wurden transkribiert, ediert, ausgewertet und sind nun für alle im Internet ersichtlich.

Die Digitalisierung in den Geistes- und Sozialwissenschaften bringt neue Möglichkeiten für die Bearbeitung und Analyse von Daten und wird unter dem Schlagwort Digital Humanities zusammengefasst. Online-Plattformen sind eine innovative Herangehensweise, um historisches Wissen möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen.

Die digitale Fassung der Spängler Haushaltsbücher dient nicht nur der Forschung, sondern wird auch für die Lehre an der Universität genutzt. Im deutschen Sprachraum sind nur wenige Haushaltsbücher aus dem 18. Jahrhundert überliefert, kaum welche sind transkribiert und für die Forschung verfügbar – das Salzburger Vorhaben ist also ein echtes Pilotprojekt.

Einlesen in die Familiengeschichte und die Haushaltsführung im 18. Jahrhundert: hier geht’s zur neuen Datenbank. Mehr über das Projekt gibt’s hier zu lesen.

Fleisch, Strümpfe, Koch

Insgesamt sechs Autor*innen haben die Expert*innen anhand der verschiedenen Handschriften identifiziert. Der höchste Betrag (307 Gulden) ging 1755 – wahrscheinlich für Schmuck – an den Goldschmied Johann Michael Mayr anlässlich der Hochzeit von Franz Anton Spängler mit Maria Theresia, geborene Traunbauer. Die Hochzeitsmusik – 12 Menuetti fatte per le Nozze – komponierte übrigens Leopold Mozart, die im Haushaltsbuch am 1. Februar 1755 mit 33 Gulden abgerechnet wird.

Ihren letzten Eintrag verfasste Maria Theresia kurz vor ihren Tod am 7. Jänner 1780 für Fleisch, Strümpfe und die Bezahlung des Stadtkochs. Vor ihr führten die ersten beiden Ehefrauen – Maria Katharina (bis 1743), Anna Elisabeth (1744-1753) – die Bücher. Im Hause Spängler war Buchhaltung demnach großteils in Frauenhand.

Was wurde eigentlich zu Spänglers Zeiten gekocht und gern gegessen? Das historische Rezeptbuch der Uni Salzburg lässt tief in alte Töpfe blicken.

Haushalten und konsumieren. Die Ausgabenbücher der Salzburger Kaufmannsfamilie Spängler

Die Haushaltsbücher der Kaufmannsfamilie Spängler stammen aus dem Zeitraum 1733 bis 1785. Die insgesamt vier Bücher sind jeweils 16,5 cm breit und 39 bis 41 cm hoch und werden im Haus der Stadtgeschichte aufbewahrt. Die Web-Präsentation wurde von Reinhold Reith und Georg Stöger (beide Uni Salzburg) konzipiert und herausgegeben, außerdem vom FWF (Austrian Science Foundation) gefördert. Die technische Umsetzung und Gestaltung lag in den Händen von v3consulting (München). Im Rahmen des Gesamtprojekts ist 2016 der Sammelband „Haushalten und Konsumieren“ in der Schriftenreihe des Stadtarchivs erschienen.