Aus der Theorie in die Praxis tanzen

In der Bibliothek des Uniparks verbirgt sich ein besonderes Archiv. Vorbei an der gemütlichen Lesetreppe führt eine Tür ins Derra de Moroda Tanzarchiv, das zu den international bekanntesten und umfangreichsten Sammlungen zählt. Tanzen ist Bewegung, Ausdruck, Körperarbeit – doch wie lässt sich Tanz archivieren?

Als die damals 15-jährige Fritzi von Derra 1912 ihr Tanzdebüt in Wien feierte, konnte noch niemand ahnen, welche Auswirkungen ihr Schaffen auf die Tanzszene haben würde. Die Tänzerin, Choreographin, Tanzpädagogin und Tanzpublizistin Friderica Derra de Moroda (1897–1978) wurde zu einer wahren Größe in ihrem Fach. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ließ sie sich in Salzburg nieder, wo sie im Haus ihrer Schwester eine Tanzschule eröffnete. Ihre weltweit bekannte Bibliothek vermachte sie dem heutigen Fachbereich Musik- und Tanzwissenschaft der Uni Salzburg. Seitdem steht die Sammlung für Forschung und Lehre zur Verfügung.

Lange Zeit erhielt Tanz nicht die erforderliche Wissenschaftlichkeit und so keinen akademischen Status. Das Wissen rund um Tanz musste sich anderen Kunstwissenschaften, wie der Literatur-, Theater- und Musikwissenschaft, unterordnen. Seit 2004 gibt es Tanzwissenschaft als akademische Disziplin an der Universität Salzburg. Die Verknüpfung von Musik- und Tanzwissenschaft ist ein europaweit einmaliges Konzept.

Tanzarchiv Uni Salzburg

Die Uni Salzburg verfügt über ein umfangreiches Tanzarchiv. (c) DdMDA

Flexible Körper, flexible Forschung

Für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Tanz braucht es die Praxis. Tanz bedeutet Ausdruck und Bewegung, gerade deshalb ist Tanz auch immer flüchtig. Genau das sind die Herausforderungen an die Tanzwissenschaft, es erfordert ein kreatives Denken und eine innovative Herangehensweise an die Forschung. Dabei fließen historische Materialien und Dokumente ineinander und werden mit kunstgeschichtlichen, kulturtheoretischen und musikwissenschaftlichen Methoden kombiniert.

Schwerpunkt wird an der Uni Salzburg auf die ästhetische Vielfalt von Formaten (wie Ballett, Performance, Musical, Oper) gelegt, aber auch auf die Verschriftlichung und Medialisierung von Musik und Tanz.

Tanz in Körper, Schrift und Bild

Wie kommt der Tanz nun ins Archiv? Das Derra de Moroda Tanzarchiv umfasst mehr als 7.000 Bücher zu Tanz und Bereichen wie Theater, Kostüm, Bühnenbild, Mode, Volkskunde und Kulturwissenschaften vom 16. bis ins 21. Jahrhundert. Dazu zählen auch Musikalien, Libretti, autographe Briefe von Tänzer*innen und Choreograph*innen, Journale und Zeitschriften. Außerdem beinhaltet die Sammlung Gemälde, Stiche, Radierungen, Lithographien, Fotografien, Plakate, Programme Zeitungsausschnitte sowie digitale Medien. Dazu kommt noch der persönliche Nachlass von Friderica Derra de Moroda, Entwürfe, Manuskripte, Notizen, Karteien und über 1.000 Briefe.

Universität Salzburg
Fachbereich Kunst-, Musik und Tanzwissenschaft •
Abteilung Musik- und Tanzwissenschaft
Dr. Irene Brandenburg
Unipark – Erzabt-Klotz-Straße 1, • 5020 Salzburg
E-Mail: Derra.Archives@sbg.ac.at
http://ddmarchiv.sbg.ac.at
Tel. 0662 8044 4923, -4672

Lange Geschichte kurz erzählt

Friderica Derra de Moroda wurde 1897 in Preßburg (heute Bratislava) geboren. 1902 übersiedelte ihre Familie nach Wien. Sie erhielt eine Ausbildung zur klassischen Tänzerin und feierte 1912 ihr Debüt als freie Tänzerin in der Wiener Secession. Ein Jahr später debütierte die junge Tänzerin in London und begann damit ihre erfolgreiche Karriere. Friderica Derra de Moroda zog nach London und eröffnete dort 1918 ihre eigene Tanzschule. Zugleich begann sie Tanzliteratur zu sammeln. Ab 1925 arbeitete sie als Tanzkritikerin, Tanzpublizistin und Korrespondentin für verschiedene europäische Journale. Ab Mitte der 1930er Jahre gab sie Sommerkurse in Salzburg und unterrichtete in Berlin. Als der Krieg ausbrach, hielt sich Derra de Moroda in Salzburg auf und konnte als britische Staatsbürgerin nicht nach London zurückkehren. Sie übernahm 1941 die Leitung eines neugegründeten Ballettensembles für die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“. Nach Kriegsende ließ sich die Tänzerin in Salzburg nieder, wo sie in der Villa Schmederer in Parsch eine Ballettschule eröffnete und Kontakte zu Künstler*innen und Fachkolleg*innen wieder aufnahm. Friderica Derra de Moroda erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. die Ehrendoktorwürde der Universität Salzburg. 1978 verstarb die berühmte Tänzerin. Ihre umfangreiche Tanzsammlung vermachte sie dem Institut für Musikwissenschaft der Uni Salzburg. Heute lagern die Archivalien in der Unibibliothek und gehören zum Fachbereich Tanzwissenschaft, den es erst seit 2004 an der Uni Salzburg gibt. Die Derra de Moroda Dance Archives sind eine der international bekanntesten und umfangreichsten Sammlungen.