Großer Denker des Kleinen

„Small is beautiful“, diesen Slogan hat Leopold Kohr geprägt. Der Nachlass des Philosophen und Weltenbummlers hat hoch über den Dächern der Stadt ein Zuhause gefunden. Klein ist auch das Archiv, ein Raum im Edith Stein Haus am Mönchsberg mit fantastischem Ausblick. Kohrs Philosophie lebt dort weiter. Seit 2007 ist die Sammlung öffentlich zugänglich.

Der Philosoph und Ökonom Leopold Kohr (1909 – 1994) war in der ganzen Welt zuhause. Amerika, Kanada, Karibik, Wales, dennoch hat er seine Wurzeln nie vergessen: die Gemeinde Oberndorf bei Salzburg. Auf seinen Erfahrungen basierend, gründete Kohr die Theorie der kleinen Einheiten, sprach sich gegen die europäischen Großmächte und für ein Kleinstaatensystem aus.

Leopold Kohr warnte vor zu schnellem und zu großem Wachstum. Er plädierte für das menschliche Maß, damit wendete er sich ab von Einheiten, wie der Gesellschaft, einer Nation oder einem Staat und setzte sich stattdessen für kleine Institutionen, wie Familie, Dorf, Betrieb, Wirtshaus oder Gesangsverein ein, die den Menschen ihre Privatsphäre lassen.

Wissensstadt Salzburg Archiv

Die Schreibmaschine von Leopold Kohr wird im Archiv verwahrt.

Kleinstes Archiv der Stadt

Von den teilnehmenden Einrichtungen bei den Tagen der Archive ist das, das den Nachlass von Leopold Kohr verwaltet, das kleinste. In rund 70 Kartons sind Briefe, Notizen, Zeitungsartikel und Bücher des Philosophen verwahrt. Außerdem schmücken persönliche Gegenstände den Raum, Kohrs Schreibmaschine, seine Reisepässe, Brillen oder auch zahlreiche Urkunden, wie der Alternative Nobelpreis von 1986, werden dort aufbewahrt. Die Sachen stammen aus seinem Geburtshaus in Oberndorf oder wurden nach seinem Tod von Großbritannien nach Salzburg gebracht.

Das Leopold Kohr Archiv versteht sich auch als Informationszentrum über Leopold Kohr und sein Werk. Viele wissenschaftliche Anfragen kommen aus dem Ausland, kürzlich forschte auch ein walisischer Romanautor hier.

Kulturerbe eines Weltbürgers

Das Archiv ist offen für alle Interessierten. Mit den Expert*innen der Kohr-Akademie kann darüber diskutiert werden, wie aktuell Leopold Kohrs Ideen heute noch sind und wie seine Philosophie umgesetzt wird.

Leopold Kohr®-Akademie/Universität Salzburg
Mag. Dr. Ewald Hiebl
Edith-Stein-Haus, Mönchsberg 2a, 5020 Salzburg
www.tauriska.at/kohr/forschung
Tel. 0662 8044 2590

Lange Geschichte kurz erzählt

Leopold Kohr wurde 1909 in Oberndorf bei Salzburg geboren. Für sein Studium der Rechtswissenschaften ging er 1928 nach Innsbruck, wo er 1933 promovierte. Schon als Student reiste Kohr durch ganz Europa, so berichtete er als Reporter vom Spanischen Bürgerkrieg. 1938 floh Kohr vor den Nationalsozialisten nach New York. Ein Jahr später reiste er in den Nordwesten Kanadas, wo er am Rande der Arktis in einem Goldbergwerk arbeitete. An der Rutgers University im US-Bundesstaat New Jersey unterrichtete Leopold Kohr von 1943 bis 1955 Nationalökonomie und Politische Philosophie. Anschließend lehrte er bis Anfang der 1970er Jahre an der Staatsuniversität von Puerto Rico. 1958 unternahm Kohr seine erste Reise nach Wales, wo er an der Seite des walisischen Pazifisten und Nationalistenchef Gwynfor Evans für die Unabhängigkeit gegen England kämpfte. Seine Aktivitäten führten ihn Ende der 1960er Jahre auch auf die Karibikinsel Anguilla, wo er half, einen unabhängigen Staat zu gründen. Trotz seiner Reisen hing Kohr immer noch an den Erinnerungen und Eindrücken von Oberndorf. Aus diesen Erfahrungen entwickelte er seine Theorie der kleinen Einheiten in Politik, Wirtschaft und Kultur. Für sein Engagement wurde Leopold Kohr 1986 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet, 1989 erhielt er das Goldene Ehrenzeichen der Republik Österreich. Seine Arbeit führte ihn auch nach Neukirchen am Großvenediger, wo die 1986 gegründete Leopold Kohr-Akademie und der daran angeschlossene Kulturverein Tauriska sein Lebenswerk weiterführen.