Bilder von Stefan Zweig in Literatur und Film

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Matteo Galli wechselte soeben von der Universität Ferrara an die Universität Florenz. Zwischendurch absolviert er noch einen einmonatigen Arbeitsaufenthalt in Salzburg. Der Professor für Germanistik und Übersetzer ist zurzeit Scientist in Residence am Stefan Zweig Zentrum. An seinem Schreibtisch in der Edmundsburg am Mönchsberg übersetzt er Texte von Stefan Zweig über Italien. Ein Fund im Büro hat ihm auch zu einem neuen Projekt inspiriert.

Das Deutsche sei für ihn „der Inbegriff des Komplexen, Zwiespältigen“ betont Matteo Galli bei unserem Gespräch im Stefan Zweig Zentrum, das spornte ihn an, Deutsch zu lernen. Später entschloss er sich dazu, Germanistik zu studieren. Zu Beginn waren es die Literatur, der Neue Deutsche Film der 1960er und 70er Jahre, Regisseure wie Fassbinder und Wenders, die RAF, die ihn lockten und faszinierten; sein Interesse an der deutschen Sprache an sich kam erst später.

Heute interessieren sich seine Studierenden eher weniger für Deutsch, für viele sei die Sprache zu kompliziert. „Viele gehen den einfacheren Weg und lernen etwa Spanisch“, bedauert Galli. Sein Faible für die Sprache und die Kultur ist nach wie vor vorhanden, doch die deutsche Kultur biete ihm aktuell sehr wenig. „Es ist kein Labor mehr für politische Ideen“, sagt Galli.

Mit Zweig auf Italienreise

In Salzburg im Apartment Tobias fühle er sich selbst wieder ein wenig als Student, erzählt Galli schmunzelnd. Die kleine Wohnung erinnert ihn an eine Unterkunft im Wohnheim in München, das er sich nach seinem Studium mit seinem Freund teilte. Mit einem Freund teilt er sich in Salzburg auch den Arbeitsplatz. Arturo Larcati, Leiter des Stefan Zweig Zentrums, und er kennen sich seit vielen Jahren. Gemeinsam übersetzen sie Texte von Stefan Zweig über ihr Herkunftsland. Es handelt sich dabei um Novellen, Essays und Reiseberichte, die von Italien erzählen.

Mehr über Stefan Zweigs Italienbild erzählt die Publikation Am liebsten wäre mir Rom des Stefan Zweig Zentrums in mehreren Aufsätzen.

Filmbiografien im Fokus

In seiner Forschung und Lehre beschäftigt sich Matteo Galli mit zeitgenössischer Kultur, Literatur, Film, aber auch mit klassischen Texten aus dem Kanon. Seine Leidenschaft gilt dem Film, im Besonderen dem Biopic. „Die Filmbiografie ist eine populäre Form, um das Leben eines Schriftstellers oder einer Schriftstellerin darzustellen. Die Bandbreite reicht von einem realistischen Dokudrama bis hin zu einem fiktiven Spielfilm“, führt Galli aus. Besonders freut ihn, dass die Auseinandersetzung mit Filmen auch seine Studierenden interessiert: „Die Gewohnheiten und der Medienkonsum haben sich stark verändert. Bei den jungen Leuten ist heute die Bildkultur vorrangig. Dem komme ich auch in der Lehre nach und greife das Thema Film auf, was bei den Studierenden sehr gut ankommt.“ Mehrere Verfilmungen einer Biografie miteinander zu vergleichen, findet er besonders spannend. „Jede Zeit hat ihr eigenes Bild über einen Autor oder eine Autorin und verhandelt dieses immer neu.“

Und so ist der italienische Forscher in Salzburg über ein neues Projekt gestolpert. Als Galli im Stefan Zweig Zentrum eine Sammlung von Zweig-Verfilmungen entdeckte, ist ihm die Idee für ein neues Vorhaben gekommen. Bis Anfang Oktober hat er noch viele Filmabende vor sich.

 

Vier Fragen an Matteo Galli

Sie sind auch als Übersetzer tätig. Wie gehen Sie hier vor?

Ich übersetze leidenschaftlich gerne. Es ist meine Art schriftstellerisch tätig zu sein. Dabei bin ich sehr diszipliniert und schaffe jeden Tag zwei, drei Seiten. Es geht nicht immer nur um Verständnis, mit einer Übersetzung transportiert man viel mehr. Ich bin der italienische Übersetzer des deutschen Autors Uwe Timm. Dabei taucht man sehr intensiv in den Stil eines Autors ein. Nach vier, fünf Bücher am Stück, musste ich mich erst wieder von seinem Sound lösen.

Sie arbeiten hier im Stefan Zweig Zentrum. Wovon profitieren Sie an der Arbeit hier vor Ort?

Ich schätze die Arbeit am Zweig Zentrum sehr. In der Literatur ist man ja gewöhnt alleine zu arbeiten, daher genieße ich hier den Austausch mit anderen. Beim Arbeiten habe ich eine DVD-Sammlung entdeckt – alles Verfilmungen von Zweigs Werke. Dabei haben wir festgestellt, dass es eigentlich kein Standardwerk dazu gibt, sondern lediglich unsystematische Aufsätze. So ist die Idee zu einem neuen Buch Stefan Zweig und der Film entstanden. Die Präsenz von Zweig in den Medien ist nach wie vor stark. Wes Anderson offenbarte im Abspann seines Films Grand Hotel Budapest, dass er sich von Stefan Zweig beeinflussen ließ. Auch für 2023 sind zwei weitere Zweig-Verfilmungen in Produktion.

Ist Stefan Zweig in Italien populär?

Die Hochphase hatte Zweig bestimmt in den 1920er, 30er Jahren. Zusammen mit Thomas Mann war er in Italien einer der meist übersetzten deutschsprachigen Autoren. Danach ist Zweig etwas in Vergessenheit geraten. 1963 veröffentlichte der italienische Autor Claudio Magris seine Dissertation Der habsburgische Mythos in der modernen österreichischen Literatur und löste damit in Italien ein großes Interesse und eine Wiederentdeckung an österreichischer Kultur und damit auch an österreichischen Autor:innen aus. Heute findet man Zweigs Bücher in vielen italienischen Verlagen.

Welches Buch von Stefan Zweig sollte jede:r gelesen haben?

Die Schachnovelle.

 

Zur Person

SIR Stefan Zweig Zentrum

Der Germanist und Übersetzer Matteo Galli verbringt den September 2022 als Scientist in Residence im Stefan Zweig Zentrum.

In den 1970er Jahren hat Matteo Galli begonnen am Goethe Institut Deutsch zu lernen, weil er Autoren wie Hermann Hesse und Thomas Mann in Originalsprache lesen wollte. Später studierte er in Florenz Germanistik und widmet sich seitdem dem deutschsprachigen Film und der Literatur. Nach dem Studium ging er für vier Jahre nach Köln, es folgten Stationen in Padua und Palermo. Zuletzt war er 21 Jahre an der Universität Ferrara tätig. Seit September 2022 ist er Professor an seiner Alma Mater. Der gebürtige Florentiner hat zwei erwachsene Söhne, denen er auch das Interesse an der deutschen Sprache weitergab. Sie absolvierten ihre Auslandssemester in Graz und in Wien. Auch wenn sich der Italiener nun einen Monat in Salzburg aufhält und in der deutschen Sprache genauso zuhause ist, begleitet ihn sein Heimatland ständig. In Salzburg beschäftigen ihn Texte über Italien und in seinem Reisegepäck darf nie ein großes Stück Parmesan fehlen.