Neugier als Antrieb für Kunst und Wissen

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Ana Hoffner ex-Prvulovic* ist Salzburgs erste Professorin für künstlerische Forschung (Artistic Research) an der Universität Mozarteum. Für die neu geschaffene Aufgabe hat sie große Pläne. Neben der Etablierung eines Doktoratsprogramms, will sie Studierende dazu einladen, sich intensiv mit Wissen und Theorien zu beschäftigen.

Als Forscherin und Künstlerin vereint Ana Hoffner die beiden Schwerpunkte ihrer Arbeit. Seit Dezember ist sie eine von zwei Professor*innen für Artistic Research an der Uni Mozarteum. Neben Lehre und Forschung ist es ihre Aufgabe ein Doktoratsprogramm aufzubauen. Damit erfüllt die Universität Mozarteum eine Auflage im Rahmen des Bologna-Prozesses und erweitert ihr Bildungsangebot. Neben Bachelor- und Masterstudien sollen nun Künstler*innen ebenso die Möglichkeit erhalten zu promovieren. Das PhD-Programm soll alle ansprechen, die ihre Neugier zu Papier bringen möchten, also ihre eigene Praxis beschreiben und reflektieren wollen.

Kunst produziert Wissen

Die künstlerische Forschung entwickelt die Methoden der etablierten Wissenschaften weiter, so entstehen durch die Verknüpfung von Ästhetik, Inszenierung und Theorie neue Erkenntnisse und Sichtweisen. Ein wesentlicher Aspekt ist es, Wissen für alle Gesellschaftsbereiche zugänglich zu machen. Kunst ist nicht nur Entertainment und Unterhaltung, sie ist systemrelevant und erfüllt einen gesellschaftlichen Auftrag.

Nach ihrem Arbeitsbeginn Ende 2020 startet Ana Hoffner nun in ihr erstes Semester. „Ich werde ein Projektseminar zum Thema Dinge & Besitzverhältnisse anbieten. Gemeinsam werden wir Texte und künstlerische Arbeiten interpretieren und daraus eigene Kunstprojekte entwickeln. Dabei können die Studierenden ihre Kreativität und ihr Engagement einbringen: Fotografie, Zeichnung, Performance…“, kündigt Hoffner an.

Wissensort für Theorie und Praxis

Ein weiterer Auftrag an die neue Professorin lautet Forschungsanträge zu stellen. „Ziel ist es, die Universität Mozarteum nicht nur als Ausbildungsort, sondern auch vermehrt als Forschungseinrichtung zu positionieren. Auch bei Fördergeber*innen muss hier noch Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit sich Forschungsstellen für Künstler*innen öffnen“, berichtet Ana Hoffner über die Herausforderungen. Der österreichische Wissenschaftsfonds FWF hat hierzu ein Programm zur Entwicklung und Erschließung der Künste (PEEK) geschaffen, um künstlerisch-wissenschaftlich tätige Personen zu fördern. Durch neue Forschungsprojekte soll der Erkenntnisgewinn, den die Verbindung von Wissenschaft und Kunst leistet, weiter in die Öffentlichkeit getragen werden.

 

Drei Fragen an Ana Hoffner ex-Prvulovic*

Wie hat sich künstlerische Forschung an den Kunst-Universitäten entwickelt?

Noch heute passiert es, dass – gerade im Wissenschaftsbetrieb – Wissenschaft und Kunst als Gegensätze aufgefasst werden. Die Trennung von Theorie und Praxis ist ein schwer belastetes Erbe bürgerlicher Gesellschaften. Bis ins 19. Jahrhundert fand das Üben an den Kunst- und Musikhochschulen statt, im Gegensatz zu der reflektierten Kunst- und Musikwissenschaft an den Universitäten. Heute wissen wir, dass diese beiden Bereiche nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Die künstlerische Forschung bewirkt hier ein Umdenken, denn Theorie und Praxis gehören zusammengedacht und bedingen sich gegenseitig. Auch die Kunst nimmt sich Fragestellungen und Problemen unserer Zeit an. Künstlerische Forschung produziert Filme, Texte, Musik, Installationen aus der Praxis heraus.

Was möchten Sie Ihren Studierenden mitgeben?

Die Studierenden sollen lernen gesellschaftliche, politische und ökonomische Strukturen zu analysieren und bestimmte Phänomene kritisch zu hinterfragen. Sie sollten auch lernen, sich einzumischen und Erwartungen nicht immer zu erfüllen. Das kritische Denken erfordert ein ständiges Üben und Praktizieren, denn es ist schwierig aus der eigenen Bequemlichkeit herauszugehen.

Wie gehen Sie an Ihre künstlerische Arbeit heran?

Themen wie Migrationspolitik, Rassismus, Geschlechterverhältnisse haben mich schon immer beschäftigt und sind auch in Teile meiner Arbeit geworden. Ich verfolge keine Systematik, sondern recherchiere sehr wild. Meist finden die Themen mich. Es ist ein Prozess des Zulassens. Für meine Ausstellung in der Kunsthalle Wien beschäftige ich mich mit der Ausbeutung von Arbeitskräften in österreichischen Gefängnissen. Vielen ist es nicht bewusst, dass alltägliche Produkte von Gefängnisinsassen gefertigt werden, die geringe Löhne bekommen und keine Möglichkeit haben, sich zu organisieren. Diese Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit von Gefängnisinsassen möchte ich aufzeigen.

 

Ana Hoffner

Ana Hoffner ist Professorin für Artistic Research an der Universität Mozarteum. (c) Anja Manfredi

Zur Person

Ana Hoffner ex-Prvulovic* ist Künstlerin, Autorin und Wissenschaftlerin und seit Dezember 2020 an der Universität Mozarteum die erste Professorin für künstlerische Forschung. In ihrer Kunst verbindet sie Film, Fotografie, Objekte und Text zu multimedialen Installationen. Sie hat ein Kunst-Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien absolviert, sowie ein PhD- und ein Doktoratsstudium abgeschlossen. Ein Stipendium führte sie an The New School nach New York. In Salzburg zeigten bereits Ausstellungen im Kunstverein (2009) und in der Galerie 5020 (2018) ihre Werke. Eine Gelegenheit zum Kennenlernen bietet ihre Antrittsvorlesung im April 2021. Einblick in ihr künstlerisches Schaffen gewährt ihre nächste Ausstellung – zu sehen ab Oktober in der Kunsthalle Wien.

* an der Schnittstelle jener, die 1980 in Paraćin (Jugoslawien) geboren wurden, die 1989 versetzt wurden und 2002 die kapitalistische Staatsbürgerschaft (Österreich) mit neuem Namen erhielten.