Lyrik lieber laut

,

Seit fast zwei Monaten zieht Caca Savic durch Salzburg. Auf ihren Wegen zwischen der Theaterkulisse Altstadt, dem Literaturhaus Salzburg und ihrer Wohnung in Maxglan sucht sie Inspiration und Begegnungen. Die H.C.-Artmann-Stipendiatin ist gebürtige Korneuburgerin, lebt aber mittlerweile in Berlin. Im Interview erzählt sie von der einsamen Tätigkeit des Schreibens, der Dringlichkeit von Poesie und ruft dazu auf, Lyrik immer laut zu erleben.

„Sprache ist ein sinnliches Empfinden, sie ist körperlich, anspannend. Es ist fast so als würde die Sprache aus dem Schulterblatt kommen“, so beschreibt Caca Savic ihre Arbeit und reibt dabei ihr Fäuste in entgegengesetzter Richtung aneinander, sie knetet die Luft und man weiß sofort, ihre Sätze erzeugen Reibung.

Lyrik ist kurz und knapp, dennoch gelingt es Savic mit ihren Texten Sprachräume aufzuspannen. Durch das Aufeinanderstoßen von Begriffen entstehen bei jeder Leserin, bei jedem Leser andere assoziative Bilder. Ihre Gedichte bleiben stets prozesshaft und lassen mehrere Lesarten zu.

In ihrem Schreiben begleiten sie stets die Fragen „Wie weit kann ich gehen? Kann ich Risse zulassen?“, gleichzeitig muss es gelingen die Balance zwischen künstlerischer Naivität und Erfahrung zu halten. Für die Autorin ist Lyrik unumgänglich, eine Dringlichkeit und ein Empfinden, das einfach raus muss. „Schreiben ist für mich ein Ausdruck des Denkens. Zwar fließen alltägliche Beobachtungen in meine Arbeit ein, aber dennoch kommt es einfach aus mir heraus. Es ist einfach in mir“, beschreibt Caca Savic ihre Arbeitsweise. Schreiben ist eine einsame Tätigkeit, die ihr am besten in einem abgeriegelten Raum gelingt.

Die vielen Teilchen des Ichs

Ihr neuestes Buch heißt Teilchenland und ist im Frühjahr 2020 im Verlagshaus Berlin erschienen. Darin beschreibt Caca Savic das Zusammenführen von Splitter, verschiedenen Dus und Ichs, die abstrakte Personen bleiben. „Es geht nicht so sehr darum, was die Personen wirklich sind, sondern was sie prägt, wie sie sich entwickeln. Ich möchte damit die Vielschichtigkeit – also die verschiedenen Teilchen – aufgreifen, die einen Menschen ausmachen. Wir haben keine linearen Biographien, sondern wir sind vielstimmig.“

Das Buch gliedert sich in vier Kapitel, die nicht zwingend aufeinander aufbauen. Die Leser*innen können durch das Buch springen, es querlesen, immer wieder lesen, damit experimentieren und herausfinden, welche Wirkung es auslöst.

In ihr Buch lässt Caca Savic auch serbokroatische Wörter einfließen. „Die Begriffe sind für mich Irritation und Verfremdung, es sind stilistische Brüche. Ich freue mich, wenn sich Leser*innen näher damit beschäftigen, sie vielleicht sogar übersetzen.“

Live, aber nicht glatt und perfekt

Die Corona-Krise hat auch die Literaturwelt umgewälzt. Die für Lyrik wichtige Leipziger Buchmesse und viele Lesungen wurden abgesagt. Mit dem Programm Live-Lesen hat das Literaturhaus Salzburg spontan eine ganze Reihe von Lesungen als Livestream über Facebook umgesetzt. Im April hat auch Caca Savic aus Teilchenland gelesen: „Die Lesungen aus der eigenen Wohnung haben einen Werkstattcharakter, das finde ich sympathisch. Niemand zeigt sich glatt und perfekt ausgeleuchtet. Ich habe begonnen mich für die Livestreams zu inszenieren. Einmal im Badezimmer, einmal in der Garderobe.“

Plötzlich wurde es notwendig als Autorin zusätzlich die Rolle der Vermittlerin einzunehmen. Längerfristig betrachtet sieht Savic die Online-Lesungen als Erweiterungen des Hörbuchs, die aber echte Veranstaltungen nicht ersetzen können. „Die neuen Technologien sind in der Corona-Krise durchaus hilfreich, aber es ist nicht das, worum es eigentlich geht. Es fehlen die Begegnungen mit dem Publikum, mit Kritiker*innen und Autor*innen sowie die Möglichkeiten mit ihnen ins Gespräch zu kommen“, erzählt sie. Darüber hinaus wird Lyrik nur im persönlichen Aufeinandertreffen zum Klingen gebracht. Sprache muss sich im Raum entfalten und auf die Menschen wirken. „Lyrik ist eine Sounderfahrung, daher lautet meine dringende Empfehlung, Lyrik laut zu lesen“, rät Caca Savic.

 

Drei Fragen an Caca Savic

Wie verbringen Sie Ihre Zeit in Salzburg?

Ich lese viel. Momentan begeistern mich Trakls Gedichte. Außerdem arbeite ich an einem Manuskript für meinen neuen Lyrikband. Es ist noch nicht konkret, aber ich notiere bereits erste Gedanken. Außerdem schreibe ich für ein Schreibkollektiv und an kleinen Prosaprojekten.

Wie haben Sie die Salzburger Literaturszene kennengelernt?

Ich habe viele Lesungen im Literaturhaus besucht. Es ist ein großartiges Team und ich schätze den Austausch mit anderen Autor*innen sehr. Zusammen mit der Literaturplattform mosaik habe ich eine Lesung gehalten. Außerdem habe ich für die Literaturzeitschrift SALZ einen Text verfasst. Ich genieße es, hier wieder mehr Einblick in die österreichische Literatur zu bekommen und interessante Menschen kennenzulernen.

Worin sehen Sie die Aufgabe der Lyrik in der heutigen schnelllebigen Zeit?

Literatur kann nicht die Welt verändern, aber wie alle Kunst kann Literatur inspirieren, anregen, ärgern und zu Diskussionen beflügeln. Im Gegensatz zu oberflächlichem Konsum, schaffen es Literatur und Kunst nachhaltiger, nahrhafter zu sein, tiefer etwas zu bewegen. Lyrik darf experimenteller sein. Ein Gedicht ist immer eine intensive literarische Poesieerfahrung.

 

Porträt SIR Caca Savic

Caca Savic (Foto: Wissensstadt Salzburg/Eva Kraxberger)

Zur Person

Caca Savic wurde 1977 in Korneuburg geboren. Seit sie zwölf Jahre alt ist, schreibt sie Gedichte. In Wien studierte sie Kunst- und Kultursoziologie. Seit mittlerweile 15 Jahren lebt die Mutter eines 9-jährigen Sohnes als freischaffende Lyrikerin in Berlin. Aus Satzfragmenten, Einfällen aus Notizbüchern und Beobachtungen baut Caca Savic Gedichte. Sie druckt sie aus, zerschneidet sie, ordnet sie neu an und lässt die sprachlichen Collagen auf sich wirken. Nebenbei arbeitet sie auch an kurzen Erzählungen. In ihrer Freizeit liest sie Lyrik (u.a. Friederike Mayröcker, Georg Trakl, Sandra Gugic, Jana Volkmann), aber auch Autorinnen wie Zadie Smith, Helena Adler, Birgit Birnbacher. Aus ihrer Zeit in Salzburg wird sie besonders die Erinnerungen an die menschenleere Altstadt mitnehmen, aber auch Topfengolatschen, Salzstangerl und Schwarzbrot.